Was machen fast 2 Jahre Coronakrise mit unseren Emotionen?
Wenn Sie das Gefühl beschreiben sollten, dass sie in Bezug auf die Corona Pandemie fühlen, welche Emotion fällt Ihnen spontan ein?
Ohnmacht? Wut? Sorge? Oder ist es Trauer? Trauer ist ein mächtiges Gefühl. Eines, dass auch körperlich spürbar ist. und eines, das wir oft am liebsten ganz weit weg schieben möchten. Oder mit anderen Gefühlen überlagern. Ein Gefühl, dass viele der anderen Gefühle bedingt. Und diesen Gefühlen im Prozess des Trauerns Raum gibt.
Bewusst werden weckt Trauer
Das Virus konfrontiert uns mit unseren Gefühlen.
Der Veränderungsprozess, der mit dem Umfang der Corona-Pandemie eingetreten ist, schlägt sich, besonders durch den aktuellen Verlauf, weiterhin bei vielen Menschen nieder. Hatten wir am Anfang Sorge, waren verunsichert, zuversichtlich, erleben wir heute dazukommend auch bewusste Erkenntnis. Erkenntnis darüber, dass unsere Welt sich verändert hat. Und mit dieser Erkenntnis kommt die Traurigkeit und das Gefühl der Trauer darüber. Trauer, dass viele Dinge von jetzt an anders sein werden. Trauer darüber, dass wir unsere gewohnte Normalität verloren haben, dass wir wirtschaftlich belastet sind, dass wir Verbindungen verloren haben. Trauer um das, was nicht mehr war und nicht mehr sein wird. All das trifft uns, und wir trauern.
Trauern im Kollektiv
Doch wir trauern nicht alleine, sondern als Kollektiv. Auf der Mikro- und der Makroebene.
Elementar ist, diese Trauer zu spüren und sie zu verstehen. Unsere Trauer gliedert sich in verschiedene Trauerphasen. Die der Verleugnung, des Ärgers, des Feilschens, der Traurigkeit und der Akzeptanz.
Wir verleugnen, indem wir nicht anerkennen, dass auch wir betroffen sein können.
Wir ärgern uns darüber, dass wir unseren Alltag nicht wie gewohnt leben können.
Wir feilschen, indem wir versuchen, durch temporäre Veränderung unseres Verhaltens nachhaltige Veränderungen zu erreichen.
Wir sind traurig, denn wir wissen nicht, wann dieser Zustand enden wird.
Und wir akzeptieren, wenn wir annehmen, dass es so oder so passiert und wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen und damit umgehen wollen.
Erst in der Phase der Akzeptanz sind wir wieder im ganzheitlichen Zustand der Selbstwirksamkeit und der Macht. Wir finden unsere Kontrolle wieder. Wir entdecken, was wir tun können: Abstand halten, Hände desinfizieren, virtuell arbeiten, Menschenmengen meiden, Andere unterstützen.
Trauer hat viele Gesichter
Doch wir befinden uns nicht nur in verschiedenen Phasen der Trauer, wir fühlen auch verschiedene Arten von Trauer.
Die ungesunde, vorweggenommenen Trauer ist in Wirklichkeit Angst. Wir malen uns Situationen und Szenarien aus, die uns passieren können. Unser Verstand versucht, uns zu beschützen, in dem er uns mit dem Schlimmsten vertraut macht. Wir können diese Bilder nicht ignorieren oder sie verschwinden lassen. Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen, in dem wir ihnen das bestmögliche Bild gegenüberstellen.
Wir fühlen antizipatiorische Trauer – ein Gefühl, dass wir empfinden wenn wir unsicher über unsere Zukunft sind. Wenn wir das Gefühl haben, es passiert etwas. Auch, wenn wir es noch nicht konkret greifen können. Um mit dieser Trauer umgehen zu können, ist es wichtig zu erkennen, dass von diesen Erwartungen im gegenwärtigen Moment nichts geschehen ist. Es geht uns gut. Indem wir ruhig atmen, uns auf unsere Sinneswahrnehmungen konzentrieren und nachspüren was wir fühlen, können wir diesen Schmerz der Unsicherheit regulieren. Wir lassen los, was wir nicht kontrollieren können. Und wir konzentrieren uns auf das, worüber wir Kontrolle haben.
Traurigkeit ohne Ende?
Die Trauer und Sorge sowie Unsicherheit wird massiv verstärkt durch den Aspekt, dass die Pandemie ein offenes Ende hat. Doch sie hat ein Ende. Was wir momentan erleben, ist ein vorübergehender Zustand. Auch wenn wir nicht wissen, was uns persönlich in der Zukunft erwartet und es schwierig ist, in diesem Zustand einen Sinn zu finden, können wir uns stark machen. Jetzt und für unsere Zukunft.
Die Formen von Angst und Trauer sind jedem Menschen zu eigen.
Dennoch hat jeder von uns ein unterschiedliches Maß, welches sich auf unterschiedliche Weise manifestiert. Haben wir Verständnis und mit Gefühl für unterschiedliche Arten und Phasen von Trauer, können wir wertschätzend und unterstützend aufeinander einwirken. Es hilft, es anzusprechen und auszusprechen als das was es ist: Trauer. Angst. Wut. Sorge. Ohnmacht.
Fühlen wir, was in uns ist, können wir uns selbst helfen.
Indem wir unsere Traurigkeit, Wut und Angst fühlen. Unabhängig davon, ob unsere Mitmenschen dies auch zum gleichen Zeitpunkt fühlen oder nicht. Unser Körper produziert diese Emotionen. Wir können nicht gegen sie ankämpfen. Und sie sind nicht unsere Gegner. Emotionen entstehen, wir fühlen sie, sie verblassen oder gehen wieder weg und wir können zum nächsten Gefühl weitergehen. Erst wenn wir unsere Emotionen zulassen, wenn wir Ihnen Raum geben und sie sich bewegen lassen, können wir diese Gefühle ordnen und Kraft aus ihnen ziehen.
Nehmen wir uns Zeit für unsere Gefühle. Geben wir anderen Zeit für ihre Gefühle. Schaffen wir Raum für Stärke.
© by Verena Arps-Roelle & Sebastian Arps